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 E I S L E R  - LOST IN HOLLYWOOD feat. Anmut, Mühe, Leidenschaft, Verstand

Eine Theater-Revue um den Komponisten Hanns Eisler
Ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Societaetstheater Dresden. - Gefördert durch den Fonds Darstellende Künste, durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz.
 

Das Projekt:
 

Der Mensch und Komponist Hanns Eisler steht im Zentrum der neuen Produktion der Compagnie Freaks und Fremde: rundum widersprüchlich, gewitzt, kämpferisch und voller Sehnsucht - ein entsetzlich kleiner Mann in einer grotesk großen Welt. Auf allen Straßen der Welt werden seine Lieder gesungen, doch in Hollywood gibt es für ihn trotz Oscar-Nominierung kein Happy End. Im Kalten Krieg erstarren seine Träume. Eislers Leben und Werk sind geprägt von den kulturellen Umwälzungen seiner Zeit, von politischem Kampf, von Flucht und Exil und dem eigenen Anspruch, Nützliches zu schaffen, im Ringen um eine Kunst, die Menschen zu erkennen und zu verändern vermag. Aus der Collage ausgewählter Lieder und überraschenden szenischen Elementen, animierten Video-Projektionen und Puppentheater entsteht das Porträt eines außergewöhnlichen Komponisten.

Hanns Eislers Kompositionen sind vielgestaltig, herausfordernd und äußerst lebendig. Er vertonte Gedichte und Zeitungsnotizen, schrieb fürs Theater, Arbeiterchöre und Solisten, für Laien und professionelle Instrumentalensembles. Seine Musik dröhnte aus Kinolautsprechern und schallte auf Straßendemonstrationen. Er füllte Konzertsäle und brachte in Kneipen die Leute zum Lachen.

Zeit seines Lebens beschäftigte er sich in Theorie und Praxis mit Musik und ihrer kulturellen Funktion. Er sah sich selbst als Genie, war aber auch stets ein Zweifler in eigener Sache. Ein Mensch, der Widersprüche liebte und lebte und zu einem der umstrittensten Künstler des 20. Jahrhunderts wurde. Sein Leben und Werk dokumentiert die Geschichte Europas des letzten Jahrhunderts, die sich durch die Gräben des ersten Weltkriegs hinein in Revolutionen, Wirtschaftskrise und Diktaturen des Terrors kämpft und nach der Zerschlagung Nazideutschlands schließlich in den großen ideologischen Fronten des Kalten Krieges erstarrt. Als junger Komponist kritisiert er den etablierten Kunstbetrieb und dessen Aufführungspraxis, befragt die Rolle des Künstlers und der Kunst in der Gesellschaft und fordert nicht weniger als eine Revolutionierung der Musik.

Er will als Künstler »Nützliches« schaffen, stellt individuelle Ambitionen hintan und verbindet seine musikalische Arbeit mit dem Kampf gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit, für eine bessere, friedvollere Welt. Sein geschätzter Lehrer Arnold Schönberg würde ihm dafür am liebsten den Hintern versohlen. Die Arbeiter aber greifen seine - ihre - neue revolutionäre Musik begeistert auf, singen sie weltweit auf den Straßen, später auch in den Schützengräben Spaniens. Den Nationalsozialisten taugen die bekannten Melodien für die eigene Propaganda. Da reicht ein Verweis unter dem neuen Text, den Abdruck der Noten kann man sich sparen. Der Komponist landet auf der schwarzen Liste. Für Hanns Eisler beginnt, wie für zahlreiche seiner Zeitgenossen eine Odyssee. Über viele Stationen und Hindernisse findet er schließlich in den USA einen Ort, an dem er leben und arbeiten kann.

Eisler verankert sich - im Widerspruch zum dem schicksalhaft ‚Geworfen-seins‘ des Exils - verortet sich musikalisch buchstäblich an einem anderen Standpunkt, gießt die alten eigenen kulturellen Wurzeln, gräbt in neuer Erde. Es schreibt gegen die Sinnlosigkeit und die Leere an, notiert Momentaufnahmen von Stimmungen, Erinnerungen und Erfahrungen der Exilanten und Kompositionen für eine unbekannte Zukunft. 

Auch die produktive Zusammenarbeit mit dem Dichter und Dramatiker Bertolt Brecht wird hier fortgesetzt. So beschreiben die beiden Künstler in den ‚Hollywood-Elegien‘ die Konfrontation mit dem Phänomen Hollywood, wo hinter den Fassaden der Traumfabriken die Abgründe der ungeschminkten kapitalistischen Filmindustrie im Zentrum der amerikanischen Kultur klaffen.

Mit der Zeit wird in Amerika sein Fachwissen geschätzt, sichern Filmaufträge seinen Lebensunterhalt, werden zwei seiner Filmmusiken sogar für den Oskar nominiert. Bleiben kann er jedoch auch hier nicht. Knapp zwei Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges kündigt die wachsende antikommunistischen Paranoia in Amerika den Kalten Krieg an: Er sei der »Karl Marx der Musik« und so wird Hanns Eisler des Landes verwiesen.

Er siedelt sich in der DDR an, wo er eine Professur bekommt, an der Gesamtausgabe seines Werks und mit Brecht arbeiten kann. Während man seine avantgardistischen Werke kaum aufführt und Hanns Eislers Faust in der Hölle formalistischer Kulturpolitik verschmort, wird der Komponist der Nationalhymne himmelhoch oben auf einem Sockel abgestellt.

Das widerspruchsvolle Leben dieses Mannes und seines vielfältigen Werkes ist ein gefundenes Fressen für die Compagnie Freaks und Fremde und ihre kritische Auseinandersetzung mit der Welt. Eisler inspiriert zu einer Suche nach unsentimentaler Poesie, die sich im Spannungsfeld zwischen Text und Ton verbirgt. Im besten Sinne gute Unterhaltung: anregend und zuweilen unbequem.

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Das Team:

Künstlerische Leitung, Schauspiel, Puppenspiel, Szenografie: Sabine Köhler, Heiki Ikkola

Arrangements, Musikalische Leitung, Live-Musik: Frieder Zimmermann

Special Guest: Tobias Herzz Hallbauer

Videoschnitt und Projektionen: Beate Oxenfart

Kameraaufnahmen: Eckart Reichl

Technische Leitung und Lichtdesign: Josia Werth

Mitarbeit Bühnenbild: Anett Bauer

Mitarbeit Regie und Dramaturgie: Jörg Lehmann

Tontechnik und technischer Support: Bernd Krakowsky, Anton Ihlenfeldt Ole Büttner, Robby Hirche

Produktionsgrafik: Stefan Voigt

Fotos: André Wirsig

Wir danken herzlich Albrecht Hirche für die Bereitstellung von Fotos aus seiner Instagram-Fotoserie: Helden der Arbeit.

Gefördert durch:

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Resonanz:

»Theater für alle Sinne. « (Dresdner Neueste Nachrichten)

"Im Trailer sieht man eine Handpuppe mit den charakteristischen Gesichtszügen von Hanns Eisler, angefertigt von Sabine Köhler und Heiki Ikkola, die auf eine neue Produktion von Cie. Freaks und Fremde aufmerksam macht, für die beide die künstlerische Leitung, Szenografie und Performance übernommen haben. Da Aufführungen von Werken dieses Komponisten heute eine Seltenheit sind, war ich neugierig, welchen fantasievollen Ansatz beide für ein solches Porträt gefunden haben.

Die entscheidende Frage für den Sozialisten Eisler war immer: Für wen schreibe ich meine Musik? Sie wird zum Ausgangspunkt eines fantasievollen Dialogs zweier geflügelten Gestalten, auf die Notenblätter in Massen vom Himmel segeln, die als Stücke von Eisler erkannt werden. Beide führen Handpuppen von Eisler und von Brecht und stehen in lebhaftestem Austausch darüber, für wen komponiert werden soll: Musik soll zum Nachdenken über die Welt anregen; ob sie die Welt verbessern kann, ist zumindest fraglich und bleibt offen. ...

Eisler war einer der produktivsten und vielseitigsten Komponisten, der anspruchsvolle Kammermusik, Kampfmusiken, Filmmusiken, große Orchesterwerke mit Solisten, Bühnenmusiken, Lieder, viele Artikel über die Funktion der Neuen Musik und zusammen mit Theodor W. Adorno ein grundlegendes Buch über die Komposition von Musik für den Film schrieb.

Aus der Fülle dieses kompositorischen Werkes haben Cie. Freaks und Fremde ein Programm unter dem Titel »EISLER – LOST IN HOLLYWOOD. Anmut, Mühe, Leidenschaft, Verstand« vorgestellt, damit zum einen auf seine verlorene Position in Amerika um 1947, dem Verhör vor dem „Komitee für unamerikanische Umtreibe“ anspielend, zum anderen auf die von Brecht gedichtete »Kinderhymne« verweisend, die als neue Nationalhymne nach 1991 ins Gespräch kam. Zugleich umfassen diese vier Begriffe auf anmutige Weise Charakter, Lebens- und Schaffensprinzip von Hanns Eislers. 

Beide fanden es an der Zeit, an diesen wichtigen Komponisten zu erinnern, von dem heute kaum noch ein einziger Ton erklingt. Dabei sind eine Reihe von Werken, die sich mit politisch kritischen Situationen, Diktaturen und Krieg befassten, heute immer noch oder wieder aktuell. (Immerhin hatte es im November 2021 in der neuen Hamburger Elbphilharmonie drei Abende mit Musik von Eisler gegeben, u.a. mit Matthias Goerne als Solisten.)

Das umfangreiche Lied-Repertoire Eislers ist zugleich ein Spiegel seiner Lebens-Situationen, seiner vielen gemeinsamen Projekte mit seinem wichtigsten Partner Bertolt Brecht: seien es die kämpferischen Lieder der Zwanziger Jahre oder die Lieder des Exils, oft mit Sehnsucht nach der verlorenen deutschen Kultur, oder die Vertonungen der Gedichte Brechts, die in Hollywood zu aktuellen Nachrichten aus dem vom Krieg überzogenen Europa nach Amerika entstanden, und schließlich die späten Lieder aus DDR-Zeit, als nach 1956 endlich Hoffnung auf Überwindung des Stalinismus aufkeimte. Etwa fünfzehn Lieder wurden nicht etwa als Konzertstücke am Flügel vorgetragen, obwohl für Eisler die Klavierbegleitung gegeben war, sondern in eine spielerische Dramaturgie einbezogen, die dem Zuschauer kaum Luft zum Atmen ließ, da die biografischen und gesellschaftlichen Ereignisse in einem dichten Netz theatralischer Ereignisse verwoben waren, in dem Sabine Köhler und Heiki Ikkola als Sprecher und Sänger mit großem sprachlichen und körperlichen Einsatz agierten.

Frieder Zimmermann hatte sich diesen Kompositionen mit sensibler Hand angenommen und für wechselnde kleine Besetzungen instrumentiert, die den charakteristischen Eislerschen Sound bei aller Neuinterpretation bewahrten. In der Vorproduktion spielte Anna Katharina Schumannn verschiedene Instrumente nacheinander ein; Anna Zepnick begleitete am Klavier.

Der Biografie Eislers folgend, wurden Lebensstationen ab 1916, die Emigration ab 1933 verfolgt, während in Deutschland die Judenverfolgung zunahm (Tobias Herzz Halbauer mit einer eindrucksvollen Interpretation der „Ballade von der Judenhure Marie Sanders“), bis Eisler in Hollywood erlebte, dass seine Vorstellung von der Funktion seiner Musik nichts mit der amerikanischen Realität zu tun hatte und er sich, mit Brechts Worten, in die Reihe der Verkäufer von Lügen einreihen musste. 

Kaum war der Faschismus besiegt, geriet Eisler in die Mühlen des FBI wegen seiner kämpferischen Lieder, und er wehrte sich geschickt gegenüber allen demagogischen Verdächtigungen. Die nächste Enttäuschung bereiteten ihm die Dogmatiker der DDR-Kulturpolitik, die das Libretto seiner »Faustus«-Oper mit vernichtender Kritik überzogen. Da fragte sich Eisler am Ende seines Lebens wiederum: Für wen komponiere ich? Diese Frage war um 1960 herum in der DDR nicht positiv zu beantworten. Allenfalls konnte er mit Brechts Worten „Vom Sprengen des Gartens“ Hoffnung darein setzen, dass irgendwann Samen keimen werden.

Die umfangreichen Videoschnitte und Projektionen hatte Beate Oxenfarth zusammengestellt, Kamera und Vorproduktion stammten von Eckart Reichl. Josia Werth betreute das Lichtdesign und Jörg Lehmann die Dramaturgie. Es wäre wünschenswert, wenn diese bemerkenswerte Produktion ihren Weg auf viele Bühnen finden könnte." (Musik in Dresden)

 

 

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